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Tübingen

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Thema Schindhaubasistunnel und Regiostadtbahn: Palmer schreibt an Bundes- und Landtagsabgeordnete

Nach einem Zeitungsartikel mit dem Titel "Palmer gegen Schindhau-Tunnel" zeigten sich auch Wahlkreisabgeordnete empört. Nun hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer einen Brief an Bundes- und Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Tübingen und Zollernalb verfasst und den Sachverhalt dargelegt.

Darin betont er, wie viele Verkehrsprojekte in den vergangenen Jahren realisiert worden sind, wie beispielsweise der Ausbau der B27. Wenn die derzeit geplanten Vorhaben noch umgesetzt würden, würde Tübingen in ein paar Jahren eine Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern sein, die in fünf Richtungen mit Bundesstraßen ohne Ortsdurchfahrt angebunden sei, drei davon im Autobahnstandard: B27 Stuttgart, B28 Reutlingen, B27 Balingen, B28 Rottenburg, B296 Herrenberg. Keine andere Stadt in dieser Größe in Baden-Württemberg habe ein vergleichbares Straßennetz.

Aus dem Schreiben geht Palmers Sorge hervor, dass fünf durchgängige Bundesstraßen Menschen dazu verleiten werde, bequem beim Auto zu bleiben, als das momentane Bus- und Bahnsystem zu nutzen. Nur eine Regiobahn mit Innenstadtstrecke könne mit einem derart ausgebauten Straßennetz konkurrieren und Menschen von der Straße auf die Schiene bringen.

Deshalb ist er der Überzeugung, dass über die Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn nicht isoliert entschieden werden dürfe. "Wenn diese Strecke abgelehnt wird, muss auch der Ausbau der Straßen im Landkreis Tübingen abgespeckt werden. Sonst sind die Umwelt-, Verkehrs- und Klimafolgen des Straßenbaus nicht mehr akzeptabel", heißt es in dem Schreiben. Deshalb bittet er die Politiker um Solidarität bei der Regiostadtbahn.

Hier der komplette Brief:

Sehr geehrte Abgeordnete des Bundestags und Landtags Baden-Württemberg aus dem Wahlkreis Tübingen und Zollernalb,

Ihren Reaktionen auf den Artikel im Schwäbischen Tagblatt mit der Überschrift „Palmer gegen Schindhau-Tunnel" habe ich entnommen, dass Sie sehr besorgt sind, ob die Universitätsstadt Tübingen den regionalen Konsens zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur aufkündigt. Das versteheich, denn zweifellos könnte die Universitätsstadt Tübingen regional bedeutsame Infrastrukturvorhaben auf ihrer Gemarkung über viele Jahre aufhalten oder ganz verhindern. Da dies aber gar nicht meine Absicht ist, möchte ich Sie bitten, gemeinsam daran zu arbeiten, dass das seit mehr als einem Jahrzehnt im Konsens verfolgte Konzept für den Verkehr in unserem Raum vollständig realisiert wird.

Worum geht es? Gestatten Sie mir zunächst einen Blick auf die Historie. Als ich vor 20 Jahren verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag war, habe ich mit voller Unterstützung meiner Partei und Fraktion gegen den Ausbau der B27, der B28 und der B296 in den heute geplanten Formen gekämpft und Alternativen vorgeschlagen: Statt der flächenfressenden Endelbergtrasse sollte der zweispurige Tunnel auf der Bestandstrasse in Ofterdingen gebaut werden. Statt des vierspurigen Tunnels in Dußlingen haben wir einen zweispurigen Tunnel vorgeschlagen, statt des vierspurigen Schindhau-Tunnels lautete unser Vorschlag, diesen zweispurig zu bauen. Statt der schnurgeraden Trasse der B28 mitten im Neckartal mit ihren 50 Hektar Flächenverbrauch wollten wir den Rittweg in Hirschau zur Umgehungsstraße ausbauen. Und den Ausbau der B296 um Unterjesingen haben wir strikt abgelehnt.

Nichts davon konnten die Grünen durchsetzen. Die B27 wurde ins Landschaftsschutzgebiet Neckartal geschlagen. Die Endelbergtrasse der B27 wird immer noch weiter verfolgt. Dußlingen ist längst vierspurig untertunnelt. Der Schindhau-Tunnel soll für sagenhafte 338 Millionen Euro vierspurig gebaut werden. Die B28 nach Rottenburg ist kurz vor der Fertigstellung. Die Umfahrung Unterjesingen ist dank des Einsatzes von Frau Widmann-Mauz in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgerückt.

Wenn die derzeit diskutierten Ausbauvorhaben wie geplant umgesetzt werden, wird das bis Mitte der 30er Jahre nochmals eine halbe Milliarde für Bundesstraßen im Landkreis Tübingen kosten. Tübingen wird dann eine Stadt mit knapp 100.000 Einwohnern sein, die in fünf Richtungen mit Bundesstraßen ohne Ortsdurchfahrt angebunden ist, drei davon im Autobahnstandard: B27 Stuttgart, B28 Reutlingen, B27 Balingen, B28 Rottenburg, B296 Herrenberg.

Keine andere Stadt unserer Größe in Baden-Württemberg hat ein vergleichbares Straßennetz. Esslingen und Konstanz haben Bundesstraßen nur in zwei Richtungen, Villingen-Schwenningen und Ludwigsburg in drei. Man wird also wohl behaupten dürfen: Die Ökologen haben wahrlich genug Zugeständnisse an den Straßenbau um Tübingen gemacht. Ich selbst habe nach meiner Wahl zum Oberbürgermeister alle diese Vorhaben im Rahmen des großen Verkehrskonsenses stets mitgetragen.

Das war nur möglich, weil die Verfechter des Straßenbaus in Politik und Wirtschaft vor 15 Jahren ein Zugeständnis gemacht haben: Die anfängliche Ablehnung der Regionalstadtbahn wurde zunächst im Stadtrat Tübingen und dann in allen Gremien der Region überwunden. Unser Konsens beruhte auf der Devise: Beides bauen! Bundesstraßen und Regionalstadtbahn. Genau dieser regionale Konsens, der uns seit langer Zeit fast jeden Streit über Verkehrsprojekte erspart hat, ist nun in Gefahr. Fällt die Innenstadtstrecke in Tübingen weg, so fällt ein zentraler Pfeiler des umweltfreundlichen Verkehrssystems um.

Warum? Weil neue Straßen neue Autofahrten und neue Schienen neue Fahrgäste hervorbringen. Menschen entscheiden sich meistens nach Bequemlichkeit und Zeitfaktor für ein Verkehrsmittel, selten aus Umweltgründen. Fünf durchgängige Bundesstraßen nach Tübingen sind so viel schneller als unser bestehendes Bahnsystem mit Umstieg auf den Bus, dass die Zahl der Autofahrten deutlich steigen wird, wenn es dabei bleibt. Nur die Regionalstadtbahn mit Innenstadtstrecke kann in Komfort und Geschwindigkeit mit einem derart aufgerüsteten Straßennetz konkurrieren und sogar Fahrgäste von der Straße gewinnen.

Das Ergebnis eines Ausbaus der Straßen ohne Regionalstadtbahn – ohne Innenstadtstrecke ist es eben nur noch eine Regionalbahn – wäre für den Klimaschutz und den Verkehr in Tübingen verheerend. Wir würden auf Jahrzehnte mit immer mehr Autoverkehr auf den Einfallstraßen und daher mit immer mehr Flächenansprüchen des Autoverkehrs in der Stadt leben müssen. Menschen alleine in zwei Tonnen schweren Fahrzeugen zur Arbeit zu fahren, ist eine immense Energieverschwendung und daher auch ein Klimaschaden.

Aus diesem Grund bin ich der Überzeugung, dass über die Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn nicht isoliert entschieden werden kann. Wenn diese Strecke abgelehnt wird, muss auch der Ausbau der Straßen im Landkreis Tübingen abgespeckt werden. Sonst sind die Umwelt-, Verkehrs- und Klimafolgen des Straßenbaus nicht mehr akzeptabel.

Bund und Land haben dankenswerterweise mit Ihrer Unterstützung die Finanzierung für unser Stadtbahnprojekt gesichert. Die Fördersätze sind nun so hoch, dass auch die Stadtbahn nahezu ein Projekt von Bund und Land geworden ist, ähnlich wie der Bundesstraßenbau. Dafür herzlichen Dank Ihnen allen.

Aktuell hat sich allerdings ein Problem aufgetan, bei dem ich Sie angesichts der beschriebenen Lage um Unterstützung bitten möchte. Wir sind zwar in der glücklichen Lage, dass nach dem nun vorliegenden Gutachten alle Universitätsgebäude ausreichend vor Erschütterung und Strahlungen geschützt werden können, jedoch mit der Ausnahme des Werner-Siemens-Imaging-Center, das nur wenige Meter von der geplanten Trasse entfernt verläuft. Für die Universität ist eine Finanzierung der Kosten einer notwendigen Verlagerung dieser Geräte zwingende Voraussetzung für die Zustimmung der Innenstadtstre cke. Das ist absolut nachvollziehbar. Bitte setzen Sie  sich bei Bund und Land dafür ein, dass diese Kosten entweder im Projekt direkt finanziert werden können oder eine Sonderfinanzierung des Landes gewährt wird, die nicht mit den allgemeinen Mitteln der Universität verrechnet wird.

Ich würde Sie gerne darum bitten, sich mit mir und der großen Mehrheit des Gemeinderates für die Erhaltung des regionalen Verkehrskonsenses einzusetzen. So wie Sie die Solidarität Tübingens mit den Teilen der Region fordern, die sich von der durchgängig vierspurigen B27 eine schnellere Anbindung nach Stuttgart und an die Autobahn erhoffen, brauchen wir auch Solidarität bei der Regionalstadtbahn. Solidarität mit den Pendlern aus der Region, die nur mit der Innenstadtstrecke ein Angebot erhalten, das sie gleich schnell und komfortabel wie ein Auto an den Arbeitsplatz bringt. Und Solidarität mit der jungen Generation der Fridays for Future, die von uns erwarten können, dass wir nicht weitere 20 Jahre einseitig Straßenbau betreiben und umweltfreundliche Verkehrsmittel vernachlässigen.

Mit freundlichen Grüßen

Boris Palmer

Oberbürgermeister

(Zuletzt geändert: Mittwoch, 05.05.21 - 11:14 Uhr   -   2704 mal angesehen)

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